Miserere mei— Ps. LVI (57)
„Im Schatten deiner Flügel finde ich Zuflucht, bis das Unrecht vorübergeht“ ((56; 2)
Psalm 56 hat nach der Vulgata die gleichen drei ersten Worte wie der vorangehende. Nach unserem dem älteren Gebrauch angelehnten Benennungssverfahren hätte er also die gleiche „Überschrift“ wie dieser. Er ist ebenso wie der vorausgehende ein Bittgebet um Errettung aus großer Not, das auch hier wieder David in einer seiner Notsituationen zugeschrieben wird – ohne daß es für diese Zuschreibung nachvollziehbare Belege gäbe oder sie zum Verständnis des Textes beiträgt. Auch hier gibt es Probleme des Textbestandes, die unter anderem dazu geführt haben, daß die Übersetzer der Einheitsübersetzung von 1980 eine Änderung der Reihenfolge von zwei Versen vorgenommen haben, die dann in der Version von 2016 wieder rückgängig gemacht wurde.
Die Reihenfolge von 1980 liest sich gefälliger, weil sie zu zwei gleich langen Strophen mit übereinstimmendem Refrain führt: „Erhebe Dich über die Himmel, o Gott, und Deine Herrlichkeit erscheine über der ganzen Erde.“ Außerdem fällt hier der „Refrain“ nicht zwischen zwei inhaltlich eng zusammen passende Verse. Da jedoch sowohl die hebräische als die griechische Überlieferung (samt Vulgata) übereinstimmend die weniger gefällige Reihenfolge haben, muß man hier der Version von 2016 wohl den Vorzug geben. Für das Verständnis erforderlich ist die Umstellung der Versfolge nicht.
Psalm 56 hat nach der Vulgata die gleichen drei ersten Worte wie der vorangehende. Nach unserem dem älteren Gebrauch angelehnten Benennungssverfahren hätte er also die gleiche „Überschrift“ wie dieser. Er ist ebenso wie der vorausgehende ein Bittgebet um Errettung aus großer Not, das auch hier wieder David in einer seiner Notsituationen zugeschrieben wird – ohne daß es für diese Zuschreibung nachvollziehbare Belege gäber oder sie zum Verständnis des Textes beiträgt. Auch hier gibt es Probleme des Textbestandes, die unter anderem dazu geführt haben, daß die Übersetzer der Einheitsübersetzung von 1980 eine Änderung der Reihenfolge von zwei Versen vorgenommen haben, die dann in der Version von 2016 wieder rückgängig gemacht wurde. Die Reihenfolge von 1980 liest sich gefälliger, weil sie zu zwei gleich langen Strophen mit übereinstimmendem Refrain führt: „Erhebe Dich über die Himmel, o Gott, und Deine Herrlichkeit erscheine über der ganzen Erde.“ Außerdem fällt hier der „Refrain“ nicht zwischen zwei inhaltlich eng zusammen passende Verse. Da jedoch sowohl die hebräische als die griechische Überlieferung (samt Vulgata) übereinstimmend die weniger gefällige Reihenfolge haben, muß man hier der Version von 2016 wohl den Vorzug geben. Für das Verständnis erforderlich ist die Umstellung der Versfolge nicht.
Inhaltlich lassen sich in Psalm 56 drei Themen ausmachen: Das erste (2 – 5a) Ist die Aussage des Gottvertrauens und der Zuversicht, daß der Herr dem Beter beistehe. Das zweite (5b und 7) wendet sich kurz dem Treiben der Gegner und ihren üblen Machenschaften zu, die doch vergeblich bleiben müssen: Sie haben vor mir eine Grube gegraben – und sind selbst hineingefallen (V. 7b). Das dritte Thema – das nach der Reihenfolge der Übersetzer von 1980 die gesamte zweite Strophe einnimmt – bietet den Lob- und Dankgesang des Erhörten. Mit oder ohne Änderung der Reihenfolge bietet dieser Psalm dem inhaltlichen Verständnis keine besondere Schwierigkeit, und die Tatsache, daß er der Notsituation nur wenige Zeilen, dem Ausdruck des Gottvertrauens und dem Gotteslob aber viel Raum gibt, scheint seiner Popularität im christlichen Volk großen Auftrieb gegeben zu haben. In fast jeder Vers läßt sich der Ursprung eines in die allgemeinchristliche Frömmigkeit eingegangenen Gedankens oder sogar eines in die Umgangssprache eingegangenen Sprachbildes erkennen: Das beginnt mit dem „Miserere mei Deus, miserere mei“ von V. 2 und geht über das „Sie haben mir eine Grube gegraben und fielen selbst hinein“ bis zum „Psalter und Harfe wacht auf“ von Vers 9.
Gottvertrauen und Gotteslob können auch dem heutigen Beter als inhaltliche Aussage von Psalm 56 voll genügen. Aber da ist noch mehr. Kirchenväter wie der hl. Beda haben in den vorderen Versen die Stimme des verleumdeten und leidenden und in den hinteren die des auferstandenen und thriumphierenden Christus vernommen, und nichts berechtigt den Vorwurf moderner Bibelwissenschaftler, mit dieser Art des Hörens würden die Psalmen dem jüdischen Volk entfremdet und entwendet. „Kulturelle Aneignung“ ante verbum sozusagen. Man muß schon ein ziemlich plattes Verständnis von der Beziehung zwischen Gott und seinem auserwählten Volk, die sich doch ganz zentral in der Person und Menschwerdung Christi ausdrückt, haben, um dem auf den Leim zu gehen.
Auch in einem nach (oft nur angeblichen) Fakten süchtigen Zeitalter muß es als unbestreitbar gelten, daß Jesus von Nazareth während seines irdischen Lebens unzählige Male Psalm 56 (wie die anderen auch) gebetet hat – und daß seine Gedanken dabei von einer Tiefe waren, die uns unausschöpfbar (psalm 91) ist. Und sicher ist es nicht unzulässig zu denken, daß ihm die Verse von der Bosheit der Feinde (ebenfalls wie die vieler anderer Psalmen) bei seinem Weg nach Golgatha präsent waren – und schon vor dem Abschluß seines Erlösungwerks betete er ganz im Sinne der zweiten Psalmhälfte: „Verherrliche deinen Sohn, damit der Sohn dich verherrlicht! …Ich habe dich auf der Erde verherrlicht und das Werk zu Ende geführt, das du mir aufgetragen hast. Jetzt verherrliche du mich, Vater, bei dir mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, bevor die Welt war! (Joh 17, 1, 4-5)
Die Psalmen sind das Gebet des frommen Israel ebenso wie das Gebet seines Messias Jesus von Nazareth – in dem viele die den Menschen zugewandte und sogar zugehörige Zweite Person des von Israel Jahweh genannten Allerhöchsten erkennen. Sie sind das Gebet der Menschen von vor 2500 Jahren und auch derer von heute, und natürlich sind sie auch das Gebet dessen, der den Menschen gleich geworden ist in allem außer der Sünde. (Phil 2,7 Hebr. 4,15). Hier Gegensätze zu behaupten und über die Möglichkeit prophetischen Dichtens zu räsonieren, erscheint einigermaßen kleingeistig. Und das gerade wegen – oder trotz – der unbezweifelbaren Gelehrsamkeit dieser Geister.
Andere Psalmen werden Gelegenheit bieten, weitere Aspekte das hier nur gestreiften Themas „Die Psalmen als Gebet Christi“ anzusprechen – ohne es auch nur ansatzweise auszuschöpfen.
Letzte Bearbeitung: 11. April 2024
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