Exsultate Deo — Ps. LXXX (81)

In einer imposanten Architektur-Kulisse - der Hintergrund zitiert die „hängenden Gärten“ verkündigt König Artaxerxes seinen Beschluss zur Freilassung der Juden aus Babylon. Der König steht vorne mit den Rücken zum Betrachter auf dem Absatz einer Freitreppe, die Juden weit darunter in einem Innenhof

„Stimmt an den Gesang, schlagt die Pauke, die süße Laute und die Zither.“ (80; 3)

Mit Psalm 80 geht die Reihe der Klagepsalmen, in denen Israel sein Unglück bejammert und Gott um Vergebung und Errettung anruft, erst einmal zu Ende – das Thema wird jedoch auch später immer wieder aufgegriffen. Eine Klage ist allerdings auch Haupt­the­ma von 80 – jedoch in umgekehrter Richtung: Nicht Israel beklagt vor Gott sein Schicksal, sondern der Herr klagt Israel ob seiner Verfehlungen an. Dabei kommen in einiger Ausführlichkeit Vorwürfe und An­kla­gen des Herrn an sein Volk wegen dessen Untreue und Ungehorsams zur Sprache. Die Selbstgerech­tig­keit, die in einigen Psalmen durchscheint, hat also auch ihre Grenzen.

Psalm 80 besteht aus zwei Teilen: Einer Einleitung (2 – 5), die an einen liturgischen Gebrauch denken läßt, und die Anklagerede Gottes, die sich über den ganzen restlichen Inhalt erstreckt. Wie bei vielen anderen Psalmen kann man auch hier im hebräischen Text eine Gliederung in je vier Verse enthaltende Strophen feststellen, die sich durch einen einen bemerkenswerten Wechsel in der Tonart unter­scheiden: Die Einleitung (2 – 5) beschreibt in sehr geraffter und kursorischer Form einige Hauptelemente des jüdischen Gottesdienstes sowie des Festkalenders und stellt klar, daß diese Dinge nicht von Menschen erdacht, sondern vom Herrn für sein Volk vorgeschrie­ben sind. Als Unterton schwingt hier vielleicht bereits eine Mahnung an die zum Gottesdienst versammelten Gläubigen mit, die es an der Beteiligung am Gottesdienst und an der Einhaltung der gottgegebenen Regeln fehlen lassen.

Im Folgenden ist der Charakter der Mahnrede unverkennbar. Die Verse 6 – 9 enthalten nach einem Einleitungssatz, der das Folgende als Wort und Stimme des Herrn ausweist, eine kurze Aufzählung der „Leistungen“, die Gott seinem Bundesvolk erbracht hat, und die Erinnerung an die dafür vereinbarten „Gegenleistungen“. Doch diese Gegenlei­stungen hat Israel nicht oder nur unwillig erbracht – das wird in den Versen 10 – 13 ausführlich festgestellt. Israel hat gegen das Hauptgebot gesündigt und sich – auf welche Weise auch immer – mit anderen Göttern eingelassen. Es hat sich zu sehr auf eigene Kraft und eigenes Tun verlassen und zu wenig sein Beten und sein Vertrauen auf den Herrn als Quelle aller guten Gaben – auch der irdischen – gesetzt. Der Herr will gebeten werden, auch für den Erfolg dessen, was man mit eigener Kraft erreichen zu können glaubt – diesem Gedanken ist später mit #126 ein ganzer eigener Psalm gewidmet, und er tauch auch sonst noch des öfteren auf.

Als Strafe für diese Mißachtung hat der Herr sein Volk nun nicht mit Unwettern geschlagen oder Jerusalem ein weiteres Mal in die Hand seiner Feinde gegeben, sondern auf eine Weise gezüchtigt, die wohl erst von einer fortgeschrittenen Theologie als Strafe wahrgenommen werden konnte: Er hat das Volk den Plänen seines ungehorsamen und aufsässigen Herzens überlassen, gegenwartsnäher ausgedrückt: Es in die Freiheit der Gottlosigkeit verstoßen. Man sieht an allen Ecken und Enden, welche Schrecken daraus geradezu notwendig hervorgehen.

Die vierte und letzte Strophe (14 - 17) setzt dem eine optimistische Wendung entgegen: Wenn Israel doch wieder auf den Wegen des Herrn und im Geist des Gesetzes wandeln wollte, würde der Herr selbst seine Feinde zurückschlagen und es von seinen Alltags­sor­gen befreien. Mit dieser ausdrücklich dem Herrn als Sprecher zugeschriebenen Zusage endet der Psalm ohne eine sonst oft den Schluß bildende Formel des vorweggenom­menen Dankes für die Erfüllung des Versprechens: Der Herr selbst hat gesprochen, und daher ist jede weitere Bekräftigung überflüssig.

Letzte Bearbeitung: 13. April 2024

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