Laudate nomen Domini — Ps. CXXXIV. (135)

„Alles, was dem Herrn gefällt, vollbringt er – im Himmel und auf der Erde“ (134;6)
Psalm 134 ist von der Überschrift her nicht mehr als „Wallfahrtspsalm“ gekennzeichnet, schließt jedoch im Wortlaut an den letzten Wallfahrtspsalm an: Die ersten beiden Verse wiederholen mit ihrer Aufforderung zum Gotteslob fast wörtlich den Anfang von Psalm 133. Gleichzeitig schließt 134 inhaltlich jedoch auch an das Gotteslob der Psalmen vor diesen Wallfahrtsliedern und vor dem langen Psalm 118 mit den Meditationen über das Gesetz an. Es scheint fast so, als ob die Verfasser der endgültigen Sammlung eine Brücke über eine als Unterbrechung des Zusammenhangs empfundene Störung schlagen wollten. Wie in Kurzform wiederholt der Psalm einige Stationen der vorher breit dargestellten Heilsgeschichte und dann sogar wörtlich einen ganze Strophe aus Psalm 115 mit der Absage an die menschengemachten Götzen der Heidenvölker. Er schließt mit einer feierlichen Absage an das ganze Volk Israels, sich im Lob des Herrn auf dem Zionsberg zu vereinigen und fügt dann der in 115 enthaltenen Anrede an Israel und Aaron auch noch eine besondere und in dieser Form in den Psalmen einmalige Anrufung des Hauses Levi hinzu.
Nachdem hier im 4. Vers bereits von „Jakob“ und „Israel“ die Rede war, ist es sinnvoll, die insgesamt fünf hier genannten Namen etwas näher anzuschauen.
Israel ist Jakob – der Sohn Isaaks und Enkel von Stammvater Abraham und seinerseits unmittelbar Stammvater aller Israeliten, deren zwölf Stämme sich auf die zwölf Söhne Jakobs zurückführten. Den Namen Israel hatte Jakob erhalten, nachdem er in der Nacht mit dem Engel des Herrn gerungen und diesem erfolgreich widerstanden hatte. Von den ursprünglich 12 Stämmen Israels galten bereits seit dem Untergang des Nordreiches im 8. Jahrhundert 10 als verloren. Daran ändert auch die in 134 enthaltene Nennung von drei Namen nichts, denn Aaron und Levi waren nie zwei getrennte Stämme, sondern bildeten gemeinsam den priesterlichen Stamm der Leviten. Auch „Israel“ war genau genommen nicht die Bezeichnung eines besonderen Stammes, sondern bezieht sich auf die Gesamtheit des Volkes, das nach dem Untergang des Nordreiches in der Hauptsache aus dem Stamm Juda bestand.
Die Geschichte der Stämme Israels bildet eines der verwickelsten und verwirrendsten Forschungsgebiete zum alten Testament, zum Verständnis der Psalmen, die im wesentlichen aus einer Zeit stammen, in der die alten Stämme nur noch Erinnerung an halbmythische Frühzeiten waren, hat das wenig beizutragen. Entscheidend ist sowohl hier als auch schon in Psalm 115, daß mit Israel das Volk insgesamt und mit den Häusern Aaron bzw. Levi der priesterliche Stand insbesondere gemeint ist: Das ganze Volk, „Weltleute“ und Priester gemeinsam, sind zum Lob des Herrn aufgerufen.
Damit ist noch nicht erklärt, warum der Psalm aus 115 die Absage an die Götzen der Heidenvölker wiederholt. Die nächstliegende Erklärung ist wohl die, daß die Vielgötterei für die inmitten der Heidenwelt lebenden Israeliten zumindest bis zum Ende der Königszeit eine ständige Versuchung darstellte, die sich auch nach der Rückkehr aus dem Exil immer wieder in der einen oder anderen Form stellte. Man denke nur an die von dem Seleukidenkönig Antiochos IV. mit Unterstützung hellenisierter Juden im 2. Jahrhundert vorgenommene Entweihung de Tempels durch Errichtung eines Zeusaltars – die dann zum Aufstand der Makkabäer führte. Man kann begründet vermuten, daß die in den beiden Psalmen überlieferte Absage an die heidnischen Götzen eine Art „Standardformel“ darstellt, die wohl des öfteren im Gebet der Gemeinde und der Priesterschaft auftauchte. Die am Schluß dieser Formel enthaltene Verfluchung der Götzendiener mag auf ein hohes Alter hindeuten.
Damit gewinnt der zunächst etwas ungeordnet und zusammengestückelt erscheinende Psalm einen deutlichen Zusammenhang: Er beginnt mit einer Aufforderung zum Gebet (1 - 3), spricht dann eine ausdrückliche Anerkennung Gottes als Herrn der Welt und „Eigentümer“ Israels aus (4 – 7), um dann die zentralen Stationen aus der Heilsgeschichte zu rekapitulieren (8 – 12) und die gegenseitige Verpflichtung des Bundes in Erinnerung zu rufen (13, 14). Dem folgt die feierliche zeremonielle Absage an die polytheistische Versuchung (15 – 18) und am Schluß der Aufruf zur Vereinigung des ganzen Volkes, – Klerus und Laien, würde man heute sagen, – im Lobpreis Gottes. Soweit wir sehen, gibt es im ganzen Buch der Psalmen nur einen einzigen weiteren, der einem umfassenden und ausformulierten „Glaubensbekenntnis“ so nahe kommt wie 134 – und das ist der folgende in Form einer Litanei überlieferte Psalm 135.
Letzte Bearbeitung: 20. April 2024
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